Biographische Daten
Leopold Kronecker
Geboren: 7. Dezember 1823 in Liegnitz, Preußen
Gestorben:: 29. Dezember 1891 in Berlin
Leopold Kroneckers Vater war ein erfolgreicher Geschäftsmann und seine Mutter stammte aus einer wohlhabenden Familie. Bis zu seinem Eintritt in das Gymnasium in Liegnitz wurde er von Privatlehrern unterrichtet. Dort wurde Kummer sein Mathematiklehrer, der sein Talent entdeckte und weit über das Schulniveau hinaus förderte.
1841 ging Kronecker nach Berlin, wo er Mathematik unter Dirichlet und Steiner studierte. Er belegte jedoch auch Astronomie, Meteorologie und Chemie. Besonders interessierte ihn Philosophie und er studierte die Werke von Descartes, Leibniz, Kant, Spinoza und Hegel. Kronecker studierte ebenfalls in Bonn und Breslau, wo sein alter Schullehrer Kummer 1842 einen Lehrstuhl erhalten hatte.
In Berlin schrieb er seine Doktorarbeit in algebraischer Zahlentheorie unter Dirichlet. Danach widmete er sich der Verwaltung des Familienbesitzes und betrieb Mathematik nur in seiner Freizeit. Er heiratete 1848 seine Kusine. Als reicher Mann mußte er keine bezahlte Arbeit annehmen, und als ab 1855 seine Anwesenheit auf dem Familienbesitz in Liegnitz nicht länger erforderlich war, kehrte er nach Berlin zurück. Dort strebte er keine Anstellung an der Universität an, sondern wollte am mathematischen Leben teilnehmen und forschen. Er veröffentlichte in schneller Folge zahlreiche Arbeiten zur Zahlentheorie, elliptischen Funktionen und Algebra, wobei er besonders an den Wechselwirkungen zwischen diesen Gebieten interessiert war.
Als Kronecker 1861 zum Mitglied der Berliner Akademie der Wissenschaften gewählt wurde, erhielt er das Recht, an der Universität Vorlesungen zu halten. In seinen Lehrveranstaltungen behandelte er vor allem Gebiete, auf denen er eigene Ergebnisse erzielt hatte. Dieses Arrangement war so attraktiv, daß er einen Ruf nach Göttingen 1868 ablehnte.
Kroneckers berühmter Ausspruch "Gott schuf die ganzen Zahlen, alles Andere ist Menschenwerk" charakterisiert seine Haltung zu den Grundlagen der Mathematik. Seiner Ansicht nach sollte sich die Mathematik nur mit Objekten beschäftigen, die sich aus den ganzen Zahlen in endlich vielen Schritten konstruieren lassen. Nicht-konstruktive Beweise, insbesondere Widerspruchsbeweise, lehnte er ab. Irrationale Zahlen, Infimum und Supremum, der Satz von Bolzano-Weiserstrass und transzendente Zahlen waren ihm ein Dorn im Auge.
Dadurch geriet er in Opposition zu fast allen Mathematikern in Berlin. Insbesondere Cantors Mengenlehre und sein Beweis der Existenz transzendenter Zahlen und Weierstrass' Begründung der Analysis hielt er für inakzeptabel. Da er Mitglied des Herausgebergremiums von Crelles Journal war und später federführender Herausgeber wurde, hatte er großen Einfluß auf die Veröffentlichung von Arbeiten in dieser bedeutenden Zeitschrift. Er vesuchte, die Veröffentlichung von Heines Arbeiten zu trigonometrischen Reihen und Cantors Arbeiten zur Mengenlehre zu verhindern. Weiteren Einfluß gewann Kronecker dadurch, daß er intensiv internationale Kontakte pflegte. Bei Berufungen im In- und Ausland wurde sein Rat oft gesucht und genauso geschätzt wie der seines einstigen Freundes Weierstrass.
Kronecker erhielt 1883 den Lehrstuhl von Kummer, der in Berlin seit 1855 gewirkt hatte. Zu diesem Zeitpunkt war er jedoch mathematisch und menschlich isoliert und seine Einstellung zu den Grundlagen der Mathematik fand kaum Anhänger. Erst 30 Jahre später entwickelte Brouwer seinen Standpunkt weiter zum Intuitionismus, der aber als Grundlage der Mathematik keine Verbreitung fand und heute nur ein Schattendasein führt.
Literatur: [18]