Biographische Daten
Joseph-Louis Lagrange
Geboren: 25.1.1736 in Turin, Sardinien-Piedmont (jetzt Italien)
Gestorben: 10.4.1813 in Paris
Lagrange war eines von elf Geschwistern, von denen alle bis auf zwei im Kindesalter starben. Sein Vater war Schatzmeister einer Behörde in Turin. Trotz dieser relativ wichtigen Position war die Familie nicht reich, da sein Vater große Summen bei erfolglosen finanziellen Spekulationen verlor.
Lagrange sollte nach dem Willen seines Vaters Anwalt werden. Er studierte am Kollegium in Turin. Sein Lieblingsfach war klassisches Latein, und Mathematik fand er ziemlich langweilig. Sein Interesse dafür erwachte, als er Halleys Buch von 1693 über die Anwendung der Algebra in der Optik las. Durch den hervorragenden Unterricht von Beccaria am Kollegium in Turin wurde er auch zur Physik hingezogen. Daraufhin beschloß er, eine mathematische Laufbahn anzustreben.
Lagrange studierte nicht bei den führenden Mathematikern seiner Zeit und war größtenteils Autodidakt. Nachdem seine erste Arbeit vom 23. Juli 1754 über eine Analogie zwischen dem Binomischen Lehrsatz und den höheren Ableitungen des Produkts zweier Funktionen erschienen war, entdeckte er, daß bereits Johann Bernoulli und Leibniz diese Entdeckung machten. Daraufhin verdoppelte er seine Anstrengungen, etwas wirklich Originelles in der Mathematik zu produzieren.
Er arbeitete über die Tautochrone [4], jene Kurve, auf der ein Teilchen unter dem alleinigen Einfluß der Schwerkraft einen festen Punkt stets in der gleichen Zeit erreicht, unabhängig von seinem Startpunkt. Ende 1754 hatte er einige wichtige Entdeckungen zu diesem Problem gemacht, die wesentlich zum neuen Gebiet der Variationsrechnung beitrugen. 1755 wurde er zum Professor für Mathematik an der Königlichen Artillerieschule in Turin ernannt.
In der neu gegründeten Zeitschrift der Königlichen Akademie der Wissenschaften von Turin veröffentlichte Lagrange zahlreiche Arbeiten zur den verschiedensten Themen: Variationsrechnung, Wahrscheinlichkeitstheorie, Dynamik auf der Grundlage der Prinzips der kleinsten Wirkung und der kinetischen Energie, Theorie der schwingenden Saite, Lösung von Differentialgleichungen mit Anwendungen auf die Mechanik von Flüssigkeiten (wo er die Lagrangefunktion einführte), Lösung von Systemen linearer Differentialgleichungen mit konstanten Koeffizienten unter Verwendung von Eigenwerten.
Lagrange wandte seine neuartigen Methoden auch auf Probleme der Himmelsmechanik an. Er studierte die Bahnen von Jupiter und Saturn, die Libration des Mondes und die Bahnen der Jupitermonde.
1766 wurde Lagrange der Nachfolger von Euler als Direktor der Mathematik an der Berliner Akademie der Wissenschaften, wo er 20 Jahre blieb. Dort arbeitete er an vielen Themen: Astronomie (Stabilität des Sonnensystems), Mechanik (Dynamik der Flüssigkeiten), Wahrscheinlichkeitstheorie, Grundlagen der Analysis, Zahlentheorie. So bewies er 1770, daß jede natürliche Zahl die Summe von vier Quadratzahlen ist. 1771 bewies er den Satz von Wilson, daß genau dann prim ist, wenn durch teilbar ist. Er stellte fundamentale Untersuchungen an über die Lösbarkeit von algebraischen Gleichungen durch Wurzelziehen. Dabei betrachtete er die Lösungen zum ersten Mal als abstrakte und nicht als numerische Größen. Er schrieb 1782 die ''M\'echanique analytique'', die u. A. seine Entdeckungen in der Mechanik enthält. Das Buch faßt die gesamte Entwicklung auf diesem Gebiet seit Newton auf der Grundlagen von Differentialgleichungen zusammen. Dadurch machte Lagrange die Mechanik zu einem Teilgebiet der Analysis. Das Werk wurde erst 1788 veröffentlicht.
1787 ging Lagrange als Mitglied der Acad\'emie des Sciences nach Paris, wo er bis zum Ende seiner Karriere blieb. Während der Französischen Revolution wurde er durch den Chemiker Lavoisier vor der Haft gerettet, der selbst wenig später hingerichtet wurde. Ab 1794 gab Lagrange Kurse an der \'Ecole Polytechnique und an der \'Ecole Normale, aber er war kein guter Dozent. Als Resultat seiner Lehrtätigkeit schrieb er zwei Bücher über Analysis. Er versuchte darin, ohne den Grenzwertbegriff auszukommen und alle Überlegungen auf algebraische Operationen zu stützen.
1808 wurde Lagrange von Napoleon zum Ritter der Ehrenlegion ernannt.
Literatur: [2]